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"Der Anagramm-Generator ist nicht ausgereizt!" - Frank Nestel im Gespräch

"Der Anagramm-Generator ist nicht ausgereizt!" - Frank Nestel im Gespräch

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Wort-suchen.de stellt euch heute einen Spieleentwickler der Extraklasse vor: Frank Nestel ist Mathematiker und Informatiker und liebt Brett- und Kartenspiele. Doch nicht nur das Spielen hat es ihn angetan. Nein, er entwickelt die Spiele gleich selber, gemeinsam mit seiner Frau Doris Matthäus, die Grafikdesignerin ist. Zusammen entstanden Spiele wie Ursuppe und Igel Ärgern, die sie im Eigenvertrieb verkaufen, und die mittlerweile in der Szene Kultstatus errungen haben.

Vom Brettspiel bis zum Anagramm-Generator

Aber auch online hat sich Frank Nestel mit Spielen beschäftigt. So entwickelte er unter anderem einen Anagram-Generator. Mit uns sprach er über das Spielen, wie ein Kind die eigene Sicht- und Spielweise verändert und warum er Scrabble und andere Wortspiele nicht so gerne mag.

Brett- und Kartenspiele gehörten zum Kinderalltag

Frank, Doris und du, ihr entwickelt seit Jahren Brettspiele. Woher kommt allgemein bei dir das Interesse für Brett- und Kartenspiele?

Das Interesse war eigentlich schon immer da. Ich bin zwar nicht mit einem Brettspiel zur Welt gekommen. Aber zu Hause wurde immer viel gespielt, sehr zum Leidwesen meines Vaters, der das nicht so mag. Aber meine Mutter und ich bestanden darauf. In meiner Jugend spielte ich oft Schach und Risiko und dann kam das Studium und ein bestimmtes Spiel hat mich einfach vom Hocker gerissen.

In wiefern vom Hocker gerissen? Was war so besonders an dem Spiel?

In der Nähe meines Haupthörsaales in Erlangen gab es zu der Zeit einen coolen Spieleladen. Da hielt ich mich oft auf. Es gab immer nen Kaffee und ich konnte die neusten Brettspiele entdecken, die auch noch gleichzeitig erklärt wurden. Eines Tages stieß ich da – ich glaube so Anfang der 80er – auf Kreml. Das riss mich einfach vom Hocker. Es war dramatisch! Mich faszinierte die Vielschichtigkeit. Bei Kreml wird auf vier Ebenen gespielt und irgendwann fangen die Spieler an nicht nur ihre Spielfiguren zu manipulieren sondern auch ihre Mitspieler. Diese Komplexität war mitreißend.

Über Kreml

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Kreml ist ein satirisches Spiel von Urs Hostettler, welches 1986 bei Fata Morgana erschien und sich schlecht einordnen lässt, da es kein Spielbrett und keine Spielkarten enthält. Es sollte die politischen Verhältnisse in der Sowjetunion karikieren. Kreml spielt dabei zwischen den Jahren 1951 und 1961.

Zu Beginn muss ein Teil der Spielfiguren die Posten im Politbüro und die Kandidatenränge besetzen. Die restlichen Figuren bilden das Volk. Jede Spieler wählt zehn beliebige Spielfiguren aus, die unter seinem Einfluss stehen, und trägt sie in eine geheime Liste ein. Die Stärke des geheimen Einflusses zwischen 1 und 10 entspricht dabei der Position auf der Liste. Will nun jemand aktiv ins Spielgeschehen eingreifen, muss er Kontrolle über eine Spielfigur übernehmen. Dafür muss der betroffene Politiker auf der offenen Liste des Spielers "geführt" werden, das heißt, es muss Einfluss in einer gewissen Stärke offengelegt werden. Die Position eines Politikers auf der offenen Liste darf dabei nie höher als seine Position auf der geheimen Liste des Spielers sein. Im Kampf um die Kontrolle einer Spielfigur können sich die Spieler jederzeit überbieten.

Ziel des Spieles: Höhepunkt jedes Jahres ist die Oktoberparade, bei der der oft schwer angeschlagene Staats- und Parteichef noch einmal würfeln muss. Gelingt es einer Spielfigur dreimal im Verlauf des Spieles die Oktoberparade abzunehmen, dies am Ende der gespielten Periode (1960) zu tun oder Mitte 1961 das Amt des Staats- und Parteichefs zu bekleiden, ist das Spiel vorbei.

Aus Katalogbeschreibungen selber Spiele entwickeln

Wie kam es dann dazu, dass du Spiele selber entwickelst?

Oh, das fing schon viel früher an. Als Kind waren ja Geburtstag und Weihnachten im Laufe des Jahres sehr weit weg. Deshalb haben meine Freunde und ich uns immer Kataloge aus Läden mitgenommen und anhand der Spielbeschreibungen darin eigene Spiele entwickelt. Wir sind dann immer durch das ganze Haus gerannt, haben Steine, Würfel, Bretter von anderen Spielen zusammengetragen und dann selber etwas erfunden. Eine Zeit lang haben wir auch auf einem Schachbrett andere Spiele dann gespielt. Das zog sich immer so weiter, auch während der Studienzeit.

Das klingt sehr nach improvisieren. Ab wann wurde es dann professioneller?

Zirka 1983 lernte ich meine Frau kennen. Sie ist Grafikdesignerin und ist bis heute bei uns dafür zuständig, das, was ich mir ausdenke, schön darzustellen.

Gibt es ein Spiel auf das du beziehungsweise ihr beide besonders stolz seid?

Auf die Spiele, die wir letztendlich raus bringen, sind wir immer sehr stolz. Beim Self-Publishing ist es ja immer so, dass man selber Geld investiert. Das heißt: Wir bringen die Spiele nur raus, wenn wir selber davon überzeugt sind. Meist finde ich das Neuste auch am besten. Da wir in letzter Zeit, aber kaum etwas publiziert haben, muss ich retrospektiv sagen, das Ursuppe wirklich das Beste war und bei den kleinen Spielen das Kartenspiel Mü. Mü ist das Ergebnis all meiner Kartenspielererfahrungen einschließlich eines Bridgekurses. Das macht mich schon irgendwie stolz.

Ein Anagramm-Generator für Wort-Fans

Brett- und Kartenspiele sind ja was sehr greifbares. Du bist aber auch Mathematiker und Informatiker und programmierst selber. Unter anderem hast du einen Anagramm-Generator entwickelt. Wie kam es dazu?

Friedrich Wolfenter, ein Anagrammkünstler, ermutigte mich dazu, so einen Generator zu programmieren Die Idee war es einen Anagramme-Generator zu programmieren, der nicht nur wahllose sondern schöne Anagramme erzeugt. Deshalb arbeitet der Generator auch mit einem Bewertungssystem. Jedes Wort bekommt so eine Punktzahl, die anzeigt, wie gut es ist. So entstehen wirklich schillernde Anagramme. Leider habe ich zur Weiterentwicklung nie ein Wörterbuch bekommen, so dass die App zwar jetzt immer noch funktioniert, aber noch lange nicht ausgereizt ist.

Friedrich Wolfenter ist einer der bekanntesten Anagramm-Dichter in Deutschland und ein Wortkünstler der sich in verschiedenen Formen des Anagrammierens und weiteren Wortspielen auslebt. Auf seiner Homepage kann man verschiedene Anagramm-Gedichte nachlesen.

Auch wenn hinter so einem Generator ja angewandte Mathematik steht, hast du auch eine Affinität zu Sprache, Wörter und Zeichen?

Eher nicht so. Ich komme mit Sprache nicht so gut klar. Der Anagramme-Generator war auch eine Art Ventil. Der macht ja alles selber, da muss ich mir keine neuen Wörter ausdenken. Bei unserem Sohn wurde jetzt Legasthenie diagnostiziert und oft heißt es, dass das erblich sei. Im Alltag erkenne ich da durchaus Parallelen zu mir selber.

Lieber Kreuzworträtsel lösen als Scrabble spielen

Was hältst du denn selber von Wortspielen, Rätseln und Kreuzworträtseln oder auch Spielen wie Scrabble?

Mit Wortspielen habe ich mich früher oft schwer getan. Ich habe zwar auch ab und an gerne Scrabble gespielt, das aber sehr schlecht. Dadurch dass ich wenig Erfolg habe, bin ich früh von Scrabble abgekommen. Mit meiner Mutter liefere ich mir aber immer noch regelmäßig ein Kreuzworträtsel-Duell. Im Nürnberger Wochenblatt gibt es immer ein „Um-die-ecke-gedacht“. So eine Art Rätsel hat wenig mit Wörtern zu tun sondern mit Logik. Das mache ich ab und an ganz gerne.

Nochmal zurück zu eurem Sohn: Ändern sich im Laufe seiner Entwicklung durch ihn die Ideen für Spiele und eure Spielgewohnheiten?

Anfangs hatten wir wahnsinnig viele Kinderspiele. Wir kannten uns ja gut in der Szene aus und meine Frau bekommt als Grafikdesignerin ja auch immer Belegexemplare. Doch schnell wollte er größere komplexere Spiele, die mitunter länger als drei Stunden dauern spielen. Als wir vor drei Jahren auf der Spielemesse in Essen waren, musste ich kurz vom Stand weg und er war mit seinen zehn Jahren dafür zuständig den Jugendlichen Ursuppe zu erklären, was er natürlich in- und auswendig kennt. Mit Brettspielen kommen wir aber derzeit nicht viel zum Zug. Er ist dreizehn und spielt viel online.

Onlinespiele haben derzeit Vorrang

Das heißt, ihr spielt gar nicht mehr so oft zusammen?

Brettspiele eher weniger und auch leider nicht mehr so oft mit Freunden, da wir ja immer einen Kompromiss mit unserem Sohn finden müssen, der eben gerne sehr komplexe Spiele spielt, die länger als eine Stunde dauern. Aber ich spiele jetzt viel online mit ihm zusammen. In den letzten zwei Jahren hat er zig Spiele angeschleppt, die ich mir auch immer mit angesehen habe. Manchmal sitzen wir zusammen an der Konsole, meist aber auch nur zusammen in einen Raum, gehen online, fordern noch zwei Spieler, die sich sonst wo aufhalten, heraus und spielen ebenso miteinander.

Und selber neue Spiele entwickeln? Ist da gerade auch eine Ruhepause?

Nein, nicht so ganz: Spiele entwickeln wir immer mal wieder. Derzeit verläuft das etwas langsamer bedingt durch den Beruf und das Familienleben. Zudem ist es eine andere Sache, ob diese Spiele eben Marktreife erlangen. Unsere Freunde lernen hier zum Beispiel viele Spiele kennen, die wir nie auflegen werden. Das Entwickeln und Verbreiten von eigenen Spielen war immer ein Hobby und soll auch eines bleiben.

Dann hoffen wir, dass eines dieser Spiele bald auch wieder die Marktreife erlangt, damit eure Fans wieder was für gemeinsame Sommerabende haben! Danke für das interessante Gespräch.

Mehr über die Spiele, die Frank und Doris entwickeln, erfahrt ihr natürlich auf ihrer Seite.

Bildquellen

  • Frank Nestel auf Spielemesse_privat_klein: Frank Nestel, privat