Vom Jargon übers Ausbaldowern - Gaunersprachen im Kreuzworträtsel
Ihr könnt mal wieder das Kreuzworträtsel nicht ordentlich ausbaldowern, weil nach einer Gaunersprache gefragt wird? In unserer Kreuzworträtsel-Hilfe findet ihr nicht nur ein paar europäische, sondern auch Übersetzungen von bestimmten Wörtern aus der Sprache ins Deutsche.
Ach ja: ausbaldowern ist übrigens auch ein Wort der Gaunersprache und heißt so viel wie auskundschaften, lauern oder ermitteln. Es stammt ursprünglich aus dem Jiddischen („baal“ und „dowor“) und bedeutet „Herr der Sache“ zu sein.
Und das seid ihr auch, wenn ihr den Artikel bis zum Schluss weiterlest.
Was ist das eigentlich?
Die Gaunersprache ist so etwas wie eine Geheimsprache. Heute wird sie nicht mehr oft gesprochen, aber seit dem Mittelalter wurde sie von einem sehr kleinen Personenkreis zur Verständigung benutzt. Meist sprachen gesellschaftliche Randgruppen diese Sprachen, weil sie auch nur von der jeweiligen Gruppe verstanden werden sollte. Eine solche Sprache unterscheidet sich dementsprechend auch im Wortschatz von der Standardsprache, auf der sie beruht. Grammatikalisch bleibt sie allerdings innerhalb der Regeln der Ursprungssprache. Meistens wurde sie von Gaunern und Landstreichern gesprochen, damit zufällig zuhörende Außenstehende das Gesagte nicht verstehen können. Beinahe jede europäische Sprache hat auch eine Gaunersprache.
Das Diebesgut aus anderen Sprachen?
Die Gaunersprache besteht also immer aus der korrekten Grammatik des jeweiligen Landes. Allerdings stammt ein großer Teil des Wortschatzes aus anderen Sprachen. So wurden viele Ausdrücke den Sprachen der verschiedenen Einwanderer entnommen. LUNFARDO in Argentinien hat somit auch diverse Begriffe aus dem Englischen, Italienischen, Portugiesischen oder Polnischen. ROTWELSCH hingegen, die deutsche Version, hat viele Begriffe aus dem Jiddischen entnommen. Allerdings ist die Sprache nicht nur Diebesgut aus anderen Sprachen. Viele Wörter bekommen auch durch einen Genuswechsel, eine Generalisierung oder eine Spezialisierung, eine neue Bedeutung. Weiterhin gibt es Wörter, die morphologisch gekürzt oder in die Länge gezogen werden. Im französischen VERLAN werden auch teilweise einfach einzelne Silben vertauscht. Außerdem handelt es sich bei den Wörtern oft um Metaphern.
Rotwelsch – die deutsche Gaunersprache
Der Begriff ROTWELSCH tauchte zum ersten Mal im 13. Jahrhundert in leicht veränderter Form („rotwalsch“) auf und meint eine betrügerische Rede. Das Wort „welsch“ bedeutet „fremdartige Sprache“ und man findet es ebenfalls im Wort Kauderwelsch. Wie auch bei den anderen unterscheidet sich Rotwelsch von der deutschen Sprache durch seine Begrifflichkeiten. Es ist also keine eigene Sprache, sondern eher ein Sonderwortschatz, also ein JARGON. Seit dem Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert wurde diese Sprache oft benutzt, um sich innerhalb einer gleichen Berufsausübung oder in ähnlichen Angelegenheiten zu verständigen. Besonders reisende Handwerker, Händler, Schausteller, Landsknechte, ausgemusterte Soldaten und Studenten kommunizierten mit Rotwelsch. Viele Wörter davon benutzen wir auch heute noch in unserer Umgangssprache.
Vielleicht erkennt ihr ja unter den folgenden Beispielen welche wieder?
- SCHENIGELN
- Arbeiten
- ABZIEHEN
- Bestehlen
- KALLE
- Braut, Geliebte
- SORE
- Diebesgut
- KASCHEMME
- einfache Herberge
- SPELUNKE
- einfache Herberge
- PENNE
- einfache Herberge
- BLUETEN
- Falschgeld
- DUFTE
- fein
- BAU
- Gefängnis
- KIES
- Geld
- KNETE
- Geld
- SCHOTTER
- Geld
- PINKE
- Geld
- KOHLEN
- Geld
- ZASTER
- Geld
- MONETEN
- Geld
- REIBACH
- viel Geld
- MASSEL
- Glück
- BRASSELETTS
- Handschellen
- KIBERER
- Kriminalpolizei
- AUSBALDOWERN
- kundschaften
- ZACHEL
- Messer
- SCHLEMIHL
- Pechvogel
- KNARRE
- Pistole
- POLENTE
- Polizei
In Frankreich gibt es mehrere Varianten
Es gibt mehrere französische Gaunersprachen. Zum einen gibt es das ARGOT, welches die Geheimsprache für Bettler und Gauner im Mittelalter war. Im Gegensatz zum deutschen Rotwelsch, kombiniert das Argot verschiedene Wortarten, um eine Abweichung der Standardsprache herzustellen. Statt eines Adverbs wird zum Beispiel ein Adjektiv verwendet. Bestimmte Wörter werden durch eine andere Endung verändert. Teilweise werden Silben einfach vom Wort abgetrennt, verdreht oder wiederholt. Außerdem werden oft auch Abkürzungen verwendet. Ebenfalls wie bei uns in Deutschland haben sich manche Begriffe bis heute im umgangssprachlichen Gebrauch gehalten.
Eine weitere, das LOUCHÉBEM, entwickelte sich als eine Spielart des Argot und wird seit dem 19. Jahrhundert bis heute in der Fleischerszene von Paris gesprochen. Bei dieser Sprachart werden vor allem Silben vertauscht.
Die dritte ist das VERLAN. Verlan wurde ursprünglich auch von Gaunern gesprochen, setzte sich allerdings ab den 1970er Jahren als Jugendsprache in Paris durch. Beim Verlan wird meist der erste und der letzte Konsonant eines Wortes vertauscht und die Silbe „eu“ eingesetzt.
Wusstet ihr eigentlich, woher das Wort Jargon stammt?
Richtig, der Begriff Jargon hat auch etwas mit Gaunersprache zu tun. Er stammt aus dem mittelalterlichen Frankreich. In dieser Zeit existierte eine kriminelle Bande, die Coquillards (deutsch: „Muschelbrüder“), die sich als Erkennungszeichen eine Jakobsmuschel als Kette um den Hals hängten. Diese Bande hatte ebenfalls eine Geheimsprache, die sich GERGO nannte – einem Begriff, der vom Wort „Gurgel“ abgeleitet ist. Heute sagt man in Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern JARGON zu einer Sprache, die von einem bestimmten sozialen Mileu oder einer Subkultur gesprochen wird. In Italien hat sich allerdings tatsächlich das Wort GERGO durchgesetzt.
Die englische Gaunersprache
Im Englischen gibt es das CANT. Hierbei handelt es sich um eine Mischsprache mit irisch-gälischen und englischen Ursprüngen. Es wird auch als SHELTA bezeichnet – dieser Begriff stammt aus dem Irischen und bedeutet „auf Wanderschaft“. Dementsprechend wird diese Sprache auch bis heute noch aktiv von Reisenden und Nomaden gesprochen.
In der Literatur eher selten
Da die meisten Sprachen der Gauner und Vagabunde nur gesprochene und nicht geschriebene sind, trifft man sie eher selten in der Literatur an. Allerdings hat der französische Autor Victor Hugo, der seine Romane immer möglichst menschennah schrieb, in Les Misérables ARGOT als Sprache der Unterschicht eingebaut. In den meisten deutschen Übersetzungen des Romans sind diese Passagen gleichgeblieben, weil sie als unübersetzbar gelten.
Ansonsten kann man sagen, dass zumindest die übriggebliebenen Begriffe des ROTWELSCH bis heute in unzähligen Gaunerromanen und -filmen noch benutzt werden. „Reich mal die Knarre rüber!“ klingt immerhin auch viel authentischer als „Könntest du mir bitte die Pistole reichen?“
Bildquellen
Titelbild: Wortwolke erstellt mit wortwolken.com
Bild 1: Ebcosette Gaunersprache lesmiserable: Émile Bayard via Wikimedia Commons | Public Domain | https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AEbcosette.jpg