Alexander Dings – Ein Newcomer im Scrabble Flow
Alexander Dings spielt erst seit Mitte 2017 Turnier-Scrabble und hat bereits zwei Ein-Tages-Turniere gewonnen. Er ist Teil der „ Jungen Wilden“, einer Gruppe von enthusiastischen jungen Scrabble-Spielern, die bei Turnieren auffallen, indem sie in den Pausen noch schnell ein paar Speed-Scrabble-Partien spielen. Ich habe Alexander im Februar 2019 exklusiv für wort-suchen.de gesprochen.
Anagrammieren fällt mir leicht
Alexander, kannst Du dich vorstellen? Seit wann spielst Du Scrabble, wie bist Du zum Turnierscrabble gekommen?
Ich bin 26 und habe gerade das Psychologiestudium abgeschlossen. An dem Lehrstuhl, an dem ich meine Abschlußarbeit geschrieben habe, werde ich jetzt als Doktorand einsteigen. Neben Scrabble spiele ich in Saarbrücken auch Amateurtheater und Floorball - eine Art Hallenhockey.
Ich war schon immer zahlen- und sprachbegeistert und mir fällt Anagrammieren leicht - ich wußte lange gar nicht, dass das nicht alle Menschen so im Kopf können. Da passt Scrabble natürlich ideal. Ich habe das Spiel dann von meiner Mutter und deren Mutter mitbekommen, ich begann mitzuspielen, als ich etwa zwölf war. Da wurde schnell klar, dass das Spiel was für mich ist. Jahre später spielte ich dann schließlich auch online und erfuhr, dass es auch Scrabble-Turniere gibt.
Wie hast Du es geschafft in so kurzer Zeit in die Top 20 der deutschsprachigen Elo-Rangliste aufzusteigen? Wie trainierst Du und wieviel Zeit investierst Du in dein Hobby?
Ich bin ein kleiner Autodidakt und wenn mich ein Thema richtig interessiert, knie ich mich extrem detailliert da rein – dadurch war ich vor meinem Turnierdebüt schon obsessiver und genauer vorbereitet, als die meisten Turnierspieler es je werden wollen... Seitdem hat mir die Analyse meiner Spiele mit Computerprogrammen sehr viel genutzt - da lernt man einfach viel darüber, wie das Spiel funktioniert.
Ich streiche auf gedruckten Wortlisten die Alphagramme - also alphabetisch geordnete Anagramme der Wörter - ab, die ich löse, ähnlich wie bei Zyzzyva. Die Variante mit Papier ist für mich persönlich einfach entspannender als ein Bildschirm. Am meisten gebracht hat mir dabei, Wörter mit wenigen Alternativen zu lernen. So etwas wie CORNEAE zu kennen ist wichtiger als alle zighundert Möglichkeiten mit EEINRT plus Blanko.
Außerdem spiele ich gegen Quackle und Elise, wiederum auf einem echten Brett; der Laptop mit dem Programm steht daneben, und klicke danach kurz durch, was ich übersehen habe. Beides ist für mich eine Form der Entspannung. Das Training ist da fast eher ein positiver Nebeneffekt. Von daher „investiere“ ich hier so viel Zeit, wie ich will und kann.
Das ganze Brett im Blick behalten
Was kannst Du uns für Tipps geben?
Über die bekannten wie „Restbank beachten“ oder „Blanko nicht zu billig wegspielen“ hinaus gibt es ein paar ebenfalls sehr wichtige, die nicht viele Spieler auf dem Schirm zu haben scheinen.
Am wichtigsten finde ich, immer das ganze Brett im Blick zu behalten und bewußt nach Möglichkeiten zu suchen. Viele Spieler haben einen unwillkürlichen Tunnelblick auf auffällige oder neu eröffnete Stellen. Das Gehirn vereinfacht so eine komplizierte Aufgabe wie Scrabble automatisch, so dass man bewusst entgegensteuern muss, um auch versteckte Züge zu bemerken – Mauerwerke, ungewöhnliche Verlängerungen á la A-BRÜST usw. So was kann Spiele entscheiden.
Nach Möglichkeit keine Buchstaben doppelt auf der Bank behalten. Jeder Doppelbuchstabe halbiert die Anzahl der möglichen Buchstabenkombinationen und macht einen damit weniger flexibel. Das ist auch vielen Spielern nicht klar, die auf ihre Restbänke achten.
Und drittens: Die Buchstaben immer erst mal alphabetisch anordnen. Davon profitieren auch Spieler, die gar nicht auf diese Weise Wörter pauken! Das immer gleiche Muster erleichtert langfristig schon von allein das Wiedererkennen von Wörtern. Macht aber sogar bei Turnieren fast niemand.
ELISE hat mehr Funktionen
Du bist der erste, den ich kenne, der das Programm ELISE nutzt, wie kamst Du dazu und was kann ELISE im Vergleich zu Quackle?
Ich habe einfach recherchiert, ob es noch andere Programme gibt als Quackle. Wenn man schon Computerprogramme zum Lernen nutzt, dann kann man auch das beste nehmen. Elise hat mehr Funktionen – vieles davon ist eher Spielerei. Aber das Programm spielt auch einfach ausgefeilter. Unter anderem stellt Elise auf Grundlage des letzten Zugs Vermutungen darüber an, was der andere wohl für eine Bank hat! Das ist im echten Spiel ein wichtiger Strategieaspekt, der Quackle komplett fehlt und der Elise zu einem „menschlicheren“ Mitspieler macht. Wenn man gegen das Programm spielt, ist es manchmal gruselig, wie Elise dauernd zu ahnen scheint, was man vorhat.
Hast Du Lieblingswörter, Erinnerungen an schöne Spielsituationen?
Besonders aufregend und zufriedenstellend finde ich es, wenn man ein Spiel knapp noch herausreißen kann, obwohl man erkennbar die schwierigeren Bänke hatte.
Als Highlight bleibt mir ein Spiel bei meinem ersten Turnier in Erinnerung, wo ich mich schnell gut mit Stefan Merx verstand, der mich als Turnierneuling mit seiner herzlichen Art sehr entspannte. Dann gewann ich gegen ihn, damals seines Zeichens deutscher Meister, mit 492 – 489 nach über 100 Punkten Rückstand. Das war als Debütant schon ziemlich aufregend.
Lieblingswörter habe ich wie jeder Scrabbler reihenweise. Besonders schön finde ich RAZEMÖS, ein botanischer Fachausdruck – könnte auch von Walter Moers stammen. Ich mag auch kuriose Zusammensetzungen (ZOPFSTIL, KUHWARM) und Hooks (KNALLEN-G, E-SELCHEN). Unter den Wörtern, die ich online schon gespielt habe, ist AXOLOTL wohl schwer zu toppen!
Mein schwierigster Gegner - nicht nur meiner - ist wohl Ben, gegen den ich in vier Turnierspielen bisher viermal das Nachsehen hatte.
Die Mischung zwischen Systematik und Zufall macht es
Was macht Scrabble für dich aus?
Das Spiel selbst mischt Systematik und Zufall perfekt – die Regeln sind einfach und klar definiert, und trotzdem ist es extrem vielfältig und unvorhersehbar.
Psychisch bedeutet Scrabble für mich das, was die Psychologie Flow nennt – also eine intensive, angenehme Konzentration auf eine Sache, in der man aufgeht. Das erlebe ich bei jedem einzelnen Turnierspiel und sogar auch, wenn ich zuhause alleine gegen Quackle antrete. Mit Scrabble kann ich mich immer fokussieren, egal wie meine Stimmung oder mein Stresslevel ist.
Was hältst Du von Speedscrabble und Drehbrettern?
Speedscrabble liebe ich, weil es mir liegt und weil es verrückter zugeht – dadurch, dass man die erstbesten Punkte nimmt, behält man öfter als im normalen Spiel ungewöhnliche Restbänke zurück, so dass auch eher ungewöhnliche Wörter auftauchen.
Drehbretter-Fan bin ich auch, weniger wegen des Drehens, sondern wegen der Einfassungen der Felder, durch die die Buchstaben nicht verrutschen.
Zum Schluss: Hast Du Ziele und Wünsche?
Ziele und Wünsche? Ich finde, wir haben noch extrem viel Luft nach oben, was die Aktivität der Turnierspielerszene angeht. Im Vergleich zur Beliebtheit des Spiels ist der deutschsprachige Turnierbetrieb eigentlich absurd klein , trotz des tollen Engagements vieler Beteiligter. In den letzten Jahren sind ja einige junge Spieler, nicht nur ich, dazugekommen – ich hoffe, das wird so weitergehen.
Der Scrabble-Nerd in mir fände außerdem ein Scrabble-Programm extrem interessant, dass mit neuronalen Netzwerken arbeitet. Das gibt es schon bei Go und Schach – wäre einfach aufschlussreich. Alternativ kann ich auch einfach hoffen, dass irgendwann Nigel Richards bei uns einsteigt!
Ein Scrabble-Rätsel von Alexander Dings
Kannst Du noch eins deiner Rätsel, die auf Turniersituationen beruhen, mit uns teilen?
Mit Manuel Müller hatte ich ein tolles Spiel auf beiden Seiten, das am Ende in seine Richtung zu kippen schien, als er mit dem Bingo ROCKENDE auf 435 – 367 davonzog. Allerdings endete der Bingo über dem doppelten Wortwert, weshalb er sehr damit zögerte, ihn zu legen, und ich konnte 52 Punkten für HUHNE kontern. Er zog also sieben, ich fünf Buchstaben nach, und dabei war das Glück extrem auf meiner Seite. Die acht Buchstaben, von denen ich aus Manuels Sicht sieben haben musste, waren DIKÖSUU und ein Blanko. Er erkannte, dass ÖSI / ROCKENDES für 55 Punkte drohte, und blockierte das mit NE für 22. Quackle stuft diesen Zug fälschlich als 100 Prozent gewinnend ein. Tatsächlich gibt es aber in dem folgenden Endspiel eine Siegmöglichkeit für mich. Ich hatte DIKUSÖ? auf der Bank, Manuel zog also als letzten Buchstaben ein U.
Ich löste das Ganze korrekt, was ich von früheren Turnieren von mir so gar nicht kenne. Auch Manuel durchblickte das Endspiel, wie klar wurde, als wir es danach besprachen. Viel Spaß beim Tüfteln –es gibt unter mehr als 1000 gültigen Zügen nur einen einzigen Gewinnzug!
Die ausführliche Scrabble-Lösung
anzeigen verbergenDer Gewinnzug ist UmSINK durch das N in ROCKENDEN.
Der Clou, warum ich das Endspiel trotz 38 Punkten Rückstand noch gewinnen kann, ist - neben meinem Blanko - natürlich Manuels extremes Pech mit dieser Bank und die Tatsache, dass ich zwei Stellen für ÖD habe: Erstens mit dem I in ION, aber auch links von ROCKENDEN (mit ÖRE und DON), wo es 39 Punkte gibt.
Wenn ich diese Stelle sofort nutze, kann Manuel allerdings mit WÜTEN zu viele Punkte sammeln. Deshalb muss ich dort blockieren und dabei auch alle fünf anderen Buchstaben neben ÖD loswerden, damit er nur noch einen Zug bekommt.
Das erreicht UmSINK perfekt, weshalb man hier den Blanko auf diese ungewöhnliche Weise einsetzen muss.
Danach ist das Brett aus Manuels Sicht wie verhext, da es einfach keine Möglichkeit bietet, zumindest irgendwo WÜT oder WÜTE zu spielen. Sein faktisch bester Antwortzug ist danach TÜ(RE), was meine bessere ÖD-Stelle blockiert, aber die andere Stelle reicht mir dann immer noch, um mit 3 Punkten Vorsprung zu gewinnen. Deshalb probierte er es, nachdem er das alles genau durchgegangen war, schließlich mit GEWÜTE* - angesichts vieler solcher GE-Wörter nicht abwegig, daß das gültig sein konnte. Ich hätte das sogar liegen lassen können, denn ÖRE gewinnt dann immer noch
um ein einziges Pünktchen - wie ich mir schon ausgerechnet hatte, da ich vermutet hatte, er könnte den Zug versuchen. Aber da ich im Grunde 100 Prozent sicher war, dass es das Wort nicht gibt, da ich es sonst bei meinem vielen Wörtertraining längst einmal gesehen haben müsste, riskierte ich die Anzweiflung trotzdem, um des optimalen Spiels willen...
Lieber Alexander, vielen Dank für das Interview.
Bildquellen
Titelbild, Bild 1 - 3 - Johannes Naumann für wort-suchen.de, 1337 UGC GmbH