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Duden ist Sprachpanscher des Jahres 2013

Duden ist Sprachpanscher des Jahres 2013

erstellt am  in  Wortkolumne  Wortwissen 

Am 02. September wurde ausgerechnet der Duden, der Deutschen liebstes Wörterbuch, vom Verein Deutsche Sprache (VDS) zum Sprachpanscher des Jahres 2013 gekürt. „Unter dem Kommando rückgratloser Zeitgeistritter“, schimpft Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, „ist diese einstmalige Ikone deutscher Sprachkultur zu einem Eimer für Sprachmüll verkommen“.

Der Sprachpanscher – ein Negativpreis

Beim Sprachpanscher des Jahres handelt es sich um einen Negativpreis, der seit 1998 jährlich vom VDS für „besonders bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache“ verliehen wird und den Sprachschuster-Preis ablöste.

Zu den unglücklichen Gewinnern zählen neben dem Duden unter anderem René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, Klaus Wowereit, regierender Bürgermeister Berlins und der Deutsche Turner-Bund.

Kritik des VDS am Duden

Gewählt wurde der Duden aufgrund seines zu unkritischen Einsatzes von Anglizismen. Wie Krämer mahnt: „trage der Duden seit Jahren dazu bei, dass sich sprachliches Imponiergehabe im Glanze einer quasi amtlichen Zustimmung sonnen dürfe“, da ganze Seiten in ihm nur englischstämmige Begriffe enthalten.

Mit dieser Kritik nicht genug, fordert der VDS, dass der Duden, wenn er schon alle in der deutschen Sprache gängigen Wörter aufnehme, auch Begriffe wie Nachsteller statt Stalker, Netzhandel statt E-Business oder Klapprechner statt Laptop erfassen soll. Eines der Argumente dafür ist, dass der Begriff Klapprechner mehr als 34 000 Treffer bei Google erzielt.

„Der absolute Gipfelpunkt“ war für den VDS jedoch mit dem Vorschlag der Dudenredaktion erreicht, den Begriff Soccer als Synonym für Fußball verwenden zu wollen. Laut Walter Krämer „fällt der Duden damit allen Bestrebungen hierzulande in den Rücken, das Deutsche als vollwertige Kultursprache zu erhalten“.

Ein natürlicher Prozess

Dabei scheinen viele die Relevanz der Anglizismen für die deutsche Sprache zu überschätzen und verteufeln, was keine Gefahr darstellt. Eine Sprache kann niemals derart statisch betrachtet werden, wie es der VDS versucht. Eine Sprache ist ähnlich einer Gesellschaft stets in Bewegung. Sie passt sich den variierenden Bedingungen an, übernimmt je nach Bedarf Begriffe fremder Sprachen und sondert unpassend gewordene aus. So verändern und mischen sich Sprachen seit ihrem Bestehen. Ein Kampf gegen diesen natürlichen Prozess käme einem Kampf um Stillstand gleich.

So führt auch der Chefredakteur des Duden, Werner Scholze-Stubenrecht, dem VDS entgegnend an, dass ungefähr ein Viertel der im Duden aufgeführten 140 000 Begriffe in fremden Sprachen wurzeln. Davon sind jedoch nur 3,5 Prozent auf das Englische zurückzuführen, ungefähr genauso viele aber auch auf das Französische. Dafür hat der VDS jedoch noch keinen Sprachpanscher des Jahres verliehen.

Der Hauptanteil der Entlehnungen im Deutschen fußt jedoch im Lateinischen und Griechischen. Jeweils circa 6 Prozent der im Duden vorhandenen Begriffe sind auf diese beiden Sprachen zurückzuführen, erweitert Scholze-Stubenrecht. So ist es vielen kaum bewusst, dass Wörter wie Alternative (alter) oder Fenster (fenstere) aus dem Lateinischen entlehnt wurden. Auch die Duden-Verlagssprecherin Nicole Weifflen betont: „Wir machen die Sprache nicht, wir bilden sie objektiv ab“.

Die bisher verliehenen Sprachpanscher des Jahres

So fragwürdig der Sprachpanscher des Jahres auch ist, so unterhaltend sind die vorwiegend stilistischen Fauxpas, die den einzelnen „Ehrungen“ vorausgingen. Bildet euch selbst eine Meinung.

 

Der Sprachschuster-Preis

1997

Im Jahr 1997 gewann die Modeschöpferin Jil Sander als einzige den Sprachschuster des Jahres. Sie qualifizierte sich dafür mithilfe eines Interviews, das sie der FAZ ein Jahr vor Erhalt des Preises gab.

"Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, daß man contemporary sein muß, das future-Denken haben muß. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, daß man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewußte Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. März 1996, zitiert im SPIEGEL 01.04.1996)

 

Pseudokosmopolitisches Imponiergehabe

1998

Dem Sprachschuster schloss sich dann im Jahr 1998 erstmals der Sprachpanscher des Jahres an. Ihn gewann Ron Sommer, der damalige Telekom-Vorstand, aufgrund seines „pseudokosmopolitischen Imponiergehabes“, wie es der VDS betont. Sommer wurden unter anderem für die von der Telekom AG häufig genutzten Anglizismen wie Sunshine- und Moonshine-Tarif sowie Short-Distance-Call, City-Call, Free-Call oder German-Call verantwortlich gemacht.

1999

Im darauffolgenden Jahr 1999 fiel der Sprachpanscher Dr. Johannes Ludewig, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, zu. Er wurde damit für die „unhöflich und anmaßend zu inländischen und ausländischen Kunden gleichermaßen“ wirkenden Anglizismen wie service points, ticket counters, db-lounges und McCleans in deutschen Bahnhöfen gerügt.

2000

Auch der leider schon verstorbene Prof. Dr. jur. Andreas Heldrich, ehemaliger Rektor der LMU München, wurde im Jahr 2000 mit dem Sprachpanscher des Jahres negativ geehrt. Ihm wurde vom VDS vorgeworfen, „die deutsche Sprache und Kultur mißhandelt zu haben“, da er die Fakultäten und Fachbereiche seiner Universität in departments umbenennen wollte.

 

Eternity and Easy Trade

2001

Im Jahr 2001 schloss sich dann Wolfgang H. Zocher, der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e.V., den Preisträgern an. Er wurde vom VDS dafür mitverantwortlich gemacht „daß es in Deutschland seit Dez. 2000 den Ausbildungsberuf des Funeral masters [sic!] gibt, und daß sich seine Berufsgenossen auf der jährlichen Eternity versammeln“.

2002

Darauffolgend bekam 2002 der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG, Klaus Zumwinkel, den Sprachpanscher verliehen. Der VDS gab ihm eine Mitschuld daran, dass sich bei der Deutschen Post AG Anglizismen wie global mail, postage point, easy trade oder funcard mailing etablierten.

2003

Im Jahr 2003 gesellte sich dann auch Gerhard Mayer-Vorfelder, damaliger Präsident des Deutschen Fußballbundes, zu den unglücklichen Preisträgern. Ihm wurde vom VDS „eine peinliche Mißachtung unserer eigenen Sprache und Kultur“ vorgeworfen, weil Zeitschriften des DFB von Home & Away Shirts, Reversible Tops und Signature Shirts schrieben.

 

Vom Kiddie Contest in Holbein´s Lounge

2004

Markus Schächter, bis 2012 Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), wurde im Jahr 2004 mithilfe des Sprachpanschers gerügt. Der VDS warf ihm vor, mit Anglizismen wie „Kiddie contests, Webcam Nights oder Sendungen wie History oder Nightscreen einem vermeintlichen Zeitgeist hinterherzulaufen“.

2005

Im Jahr 2005 bekam dann Prof. Dr. Herbert Beck, Direktor des Frankfurter Städel-Museums, den gefürchteten Preis verliehen, da er unter anderem „zu Unfinished Print und Art after Work mit anschließendem Get-together, inklusive Member’s Night in der Holbein’s Lounge“ lud.

2006

Dem schloss sich im Jahr 2006 der damalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, als Preisträger des Sprachpanschers an. Laut Krämer degradierte Oettinger „die deutsche Sprache zu einem reinen Feierabenddialekt“, da er in einer Reportage des SWR (Wer rettet die deutsche Sprache) eine für den VDS folgenreiche Aussage tätigte: "Englisch wird die Arbeitssprache, Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest".

 

Power for Understanding

2007

Im Jahr 2007 reihte sich mit Hartmut Mehdorn erneut ein Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG in die traurige Riege der Geehrten ein, da die Deutsche Bahn in ihren Bahnhöfen weiter auf counter statt Schalter, service-points statt Auskünften und McCleans statt WC´s setzte.

2008

Im darauffolgenden Jahr 2008 musste dann auch Klaus Wowereit, der regierende Bürgermeister Berlins, mit der umstrittenen Ehrung leben, da er mit Anglizismen wie Power for Peace - Power for unity - Power for understanding sowie Be Berlin. warb.

2009

Dem schloss sich im Jahr 2009 der Deutsche Turner Bund an, der in seinen Veröffentlichungen englische Bezeichnungen nutzte, „die“, wie der VDS sagt, „kaum noch jemand versteht“. Zu den unverständlichen Wörtern zählen Ausdrücke wie Slacklining, Gymmotion, Speedjumping oder Speedminton.

 

Volunteers im Midseason-Sale

2010

Im Jahr 2010 wurde der Sprachpanscher dann an Fritz Pleitgen, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH, vergeben, der statt freiwillige Helfer den Begriff des Volunteers förderte.

2011

Mit René Obermann gehörte dann im Jahr 2011 erneut ein Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG zu den Ausgezeichneten. Als Begründung gibt der VDS an, dass „der Besuch der Netzseiten der Firma“, durch Anglizismen wie Weekend Flats, Entertain Comfort, Call & Surf Comfort, Call & Surf Mobile Friends und CombiCard Teens, „eine Schocktherapie im Horrorkabinett der deutschen Sprache ist“.

2012

Im Jahr 2012 wurde dann Andrew Jennings, noch Vorsitzender der Kaufhauskette Karstadt, aufgrund der vermeintlich durch ihn initiierten Anwendung von Anglizismen wie modern and full of life, Midseason-Sale, kidswear und home-style in der Werbung als Sprachpanscher des Jahres ausgezeichnet.

 

Wie steht ihr zum VDS und dem Sprachpanscher des Jahres? Angebracht oder überflüssig? Schreibt uns eure Meinung. 

Bildquellen

  • VDS_Sprachpanscher_Duden_se: Bildrechte bei der 1337 UGC GmbH