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Von der Silbe zum Wort – Eine Webseite erweitert unsere Sprache.

Von der Silbe zum Wort – Eine Webseite erweitert unsere Sprache.

erstellt am von  in  Wortwissen 

Die Webseite be-deuts.ch, vom Schweizer Lektor und „Textbausteinograf“ Beat Gloor ins Leben gerufen, versucht mit Hilfe ihrer Nutzer die deutsche Sprache zu bereichern. Sie fordert dazu auf, zufällige Silben mit Bedeutungen zu belegen und so die Zahl unserer bisher 16 000 gebräuchlichen Einsilber zu erweitern. Doch sind derartige Kunstwörter in einer natürlichen Sprache wirklich nötig? Sollten nicht gleich alle Sprachpuristen Alarm schlagen und ihre Fackeln und Mistgabeln zücken oder ist be-deuts.ch eher als minder ernst gemeinter Marketinggag eines findigen Schweizers zu verstehen, der seine dreibändige Wörterbuchreihe zu einsilbigen Wörtern promoten will? Urteilt selbst.

Das Fundament

Entgegen der bei uns gebräuchlichen 16 000 Einsilber verfügt das Deutsche über knapp 40 Millionen weitere Buchstabenkombinationen für einsilbige Wörter, die es laut Gloor zu nutzen gilt. Für ihn war das Problem jedoch, diese überhaupt sichtbar machen zu können. Hilfe musste her und so entwickelte er ein Programm, das zufällig generierte Einsilber auswirft. Prompt war das Fundament der Webseite geschaffen, so dass sich nun jeder Besucher die unterschiedlichsten Kombinationen auswerfen lassen kann, um diese dann frei mit einer Bedeutung zu belegen und abzuspeichern.

So bekommt ihr es auch gleich auf der Startseite mit immer wechselnden Neukompositionen zu tun. Was sich hinter einem Wort wie Gnimch verbirgt, könnt ihr direkt darunter nachlesen. Zugleich werden auch die Autoren der meist sehr kurzen Beschreibungen auf dieser dezent schwarz-weiß gehaltenen Seite genannt.

Im Konfiguration könnt ihr ein eigenes Wort kreieren.

Von Fantasie und verdrehter Wirklichkeit

Es sind wahrlich geistreiche Einfälle, die die Besucher hier zurücklassen. Das Fanatasiewort phaltsch wird beispielsweise als „Weiss nicht“ beschrieben, ein blüymch ist nach der Vorstellung eines Nutzers ein Blumengebinde, das an Tankstellen verkauft wird und ein pfüerc ist ein urzeitliches Tier. Es ist die Kreativität der Nutzer, die dieses digitale Wörterbuch der Silben gestaltet und erweitert. Beat Gloor selbst sagt, dass er bei dieser Webseite an die Situation von Adam im Paradies dachte: „Er durfte allem, was er sah, einen Namen geben. ... dort liegt die Urfreude am Schreiben.”

Dieses „Namen geben“ ist zwar manchmal zum Lachen und gelegentlich zum Abwinken, aber oft auch zum Nachdenken. Bei der Betrachtung der Kompositionen und deren Bedeutungen kommt man ins Grübeln und beginnt sich zu fragen, was man sich selbst für Beschreibungen ausgedacht hätte oder ob einem überhaupt etwas zu Wörtern wie gschwüyckt, phrihn oder gschnuff eingefallen wäre.

Über die Sinnhaftigkeit der Wortkreationen darf freilich spekuliert werden. Jedoch schafft Gloor es, mich mit be-deuts.ch zum Nachdenken über die einstige Entstehung von Sprache zu bewegen. Wie mag es wohl in der Urschleim-Phase einer jeden Sprache gewesen sein? Wie hat man sich auf Wörter und deren Bedeutung geeinigt? Wieso klingen manche Begriffe so fremd und fern von der beschriebenen Sache und manche wiederum nicht? Weicht mein subjektives Empfinden von dem der anderen ab?

Beat Gloor geht mit seinem Projekt einen umgekehrten Weg zur natürlichen Wortentstehung. Seine Maschine wirft Wörter in die Welt des Nutzers, denen dann Bedeutung gegeben werden soll. Verkehrte Welt, werden doch beim natürlichen Prozess Dinge und Abläufe benannt und nicht Buchstabenkombinationen nachträglich mit Sinn behaftet. Umso faszinierender ist es, wenn man in den zufälligen Buchstabenketten Bedeutungen finden kann.

Hier entstehen die Erklärungstexte der Einsilber

Einsilbige Wörter selbstgemacht

Gepackt vom Silbenbau und dem Hineininterpretieren von Bedeutungen, klicke ich auf den Reiter „Slot“, der wie ein Spielautomat in einem Casino gestaltet ist. Er zeigt mir zweimal die berühmte „Lucky Seven“ und eine Kirsche. Was jedoch anfänglich nur nach Casino anmutete, offenbart sich dann beim Betreten der eigentlichen Kreationsseite. Nun darf ich, einem einarmigen Banditen ähnlich, einen Knopf betätigen und der Silbenautomat beginnt sich zu drehen, bis er ein Ergebnis auswirft.

Zum Schöpfer werden

Mein Druck auf den Slot-Button hat zunächst einmal mit zuinsk ein mir nichtssagendes Buchstabengebilde zur Folge. Einige weitere Male betätige ich die Maschine, bis ich bei chneizl hängen bleibe. Ein Chneizl, das klingt für mich etwas schwäbisch, vermengt mit etwas von westlich unserer deutschen Grenze aus Frankreich - wofür viele Begriffe im Schwäbischen bekannt sind.

Ich tippe schließlich die Beschreibung meiner ersten einsilbigen Wortkomposition ein. Ein Chneizl ist eine verniedlichte Form von Gneisle, dem Reststück eines Brotes. Wohl vermischt mit einem ähnlichen Wort aus dem Französischen.

Am Ende meines Eintrags wird mir nun noch die Möglichkeit gegeben, einen so genannten „Reality-Check“ durchzuführen. Der bewirkt, dass nun das Internet mit Hilfe von Google nach meiner Wortkreation durchsucht wird. So kann ich mich prompt versichern, dass es zu Chneizl nicht schon irgendwo auf der Welt in irgendeiner Sprache - vielleicht sogar im Deutschen - eine Bedeutung gibt. Nach dem Speichern mit "save" überlässt mir be-deuts.ch dann noch die Möglichkeit, meine Komposition und ihre Erklärung auf Facebook zu posten. Vielleicht findet ihr Chneizl ja noch?

Gloor selbst macht sich auch seine Gedanken um die weitere Verwendung der User-Wörter: “Ob aus den Begriffen dereinst ein Zusatzband entsteht? Dazu müssten schon ziemlich viele Menschen mitmachen. Aber wer weiss ...”.

Die Einsilber mit Bedeutung hat Gloor in einem Band zusammengefasst

Etwas Neues entsteht

Jetzt fühle ich mich fast wie ein Schöpfer. Eine Kreation, aus meiner Fantasie und dem Zufall entsprungen, hat es in dieses digitale Wörterbuch geschafft. Wer wird es wohl lesen, wer sich amüsieren und wer sich aufregen? Ich jedenfalls habe meinen Spaß daran gefunden, mich mit meinen Wortkreationen zu verewigen, sofern der Administrator sie nicht für völligen Unsinn hält und alsbald löscht.

Versucht ihr es doch auch mal. Ob alleine oder mit einem Freund, die Suche nach einer Bedeutung für durch Zufall zusammengeführte Buchstaben ist eine lustige und kreative Beschäftigung und ließ zumindest mich über die Entstehung von Sprache und die Bedeutung von Wörtern nachdenken. So taugt diese Webseite zu mehr als nur einer Fundgrube für einsilbige und nicht immer so ernstgemeinte Wortneuschöpfungen und zu mehr als nur einem Marketinggag. Überzeugt euch selbst.

Welche Bedeutung hättet ihr denn für das Wort "zuinsk" gefunden und was fällt euch bei dem Wort „chneizl“ ein?

Bildquellen

  • Worteditor: http://www.be-deuts.ch/#home
  • Textfenster: http://www.be-deuts.ch/#home
  • Deuts-Werbung: http://www.be-deuts.ch/#home
  • Startseite: http://www.be-deuts.ch/#home