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"Aphorismen schreiben ist logische Konsequenz aus meinen Gedanken“

"Aphorismen schreiben ist logische Konsequenz aus meinen Gedanken“

erstellt am von  in  Wortwissen 

Ein Gespräch mit der Aphoristikerin Christa Schyboll

Aphorismen gelten als Königsdisziplin, wenn wir auf der Suche nach geistigen Sprüchen sind. Doch wie wird man Aphoristiker, also, der- oder diejenige, die Aphorismen verfasst und warum? Wir sprachen mit Christa Schyboll, die drei Bücher mit eigenen Aphorismen veröffentlicht hat darüber, was ein Aphorismus eigentlich ist und wie er von einfachen Sprüchen abgrenzbar ist.

Die Autorin Christa Schyboll hat drei Bücher mit Aphorismen geschrieben.

Frau Schyboll, auf Ihrer Seite schreiben Sie, dass Sie Mitte 30 anfingen Gedichte zu schreiben. Dann folgten Aphorismen, Lyrik, Prosa. Warum fingen Sie an Aphorismen zu schreiben?

Das Warum Ihrer Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Aphorismen und Sprüche ergeben sich als logische Konsequenz aus meinen Gedanken und Gefühlen. Allerdings sind lange nicht alle Sprüche, die von mir veröffentlicht wurden, (Dopplung) auch Aphorismen. Manche sind Zitate aus Artikeln oder meinen anderen Büchern, andere sind spontane Gedankenäußerungen. Ihnen gemeinsam ist nur, dass der einzelne Gedanke, der dort formuliert wurde, auch für sich alleine ohne weiteren Kontext bestehen kann. Hin und wieder muss man gedanklich jedoch eine Hürde der Paradoxie überwinden oder auch die Falle einer Mehrdeutigkeit. All dies ergab und ergibt sich für mich durch meine Beobachtungen und Betrachtungen des Lebens, der Menschen und des Seins an sich.

Wann ein Spruch ein Aphorismus ist, ist unklar

Ab wann ist eine Redewendung für Sie eigentlich ein Aphorismus?

Ein Aphorismus arbeitet oft mit der Antithese.

aphorismus von hippokrates

Kennzeichen eines Aphorismus ist oftmals auch die Paradoxie und eine gewisse Virtuosität der Sprache.

Viele sehr gute Sprüche werden diesem Anspruch nicht gerecht und werden zu Unrecht als Aphorismus deklariert. Auch viele meiner Sprüche sind keine Aphorismen, sondern mehr interessante oder humorvolle Gedanken oder Beobachtungen.

Die Meinung von Fachleuten, wann aber nun genau ein Spruch schon ein Aphorismus ist und wann nicht, gehen hier ebenso weit auseinander, wie auch bei der Beurteilung anderer Kunstgattungen, wo man sich oft uneinig ist. Der individuelle Zugang zur Sprache, zur Ausdruckskraft, zum Sinngehalt wird zwangsläufig zu verschiedenen Bewertungen beim gleichen Spruch führen. Die Charakteristik ist für mich keine ganz eindeutige, sondern eine fließende Angelegenheit. Letztlich ist es aber auch nicht wirklich entscheidend, welche Begriffe man diesem „Geisteskind“ verpasst, sondern ob es in Herz, Hirn und Gemüt des Menschen ankommt und gemocht oder geliebt wird. Wie subjektiv aber eine Unterscheidung zwischen Spruch und Aphorismus ist, muss ich dem einzelnen Leser selbst überlassen.

Aphorismen von Christa Schyboll geschrieben

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Denken Sie nicht darüber nach! Dann verstehen Sie schneller!

Wer seine großen Gedanken in kleine Abschnitte aufteilt, kann sich selbst besser folgen.

Wahrheit unterliegt keinem Verfallsdatum!

Die Welt steht Kopf, wenn der Mensch erst einmal sicher mit seinen mentalen Füßen auf dem Boden der Weisheit landet!

Wo sich im Verstand nicht Spiel und Disziplin in der richtigen Mischung treffen, wird sich auch kein genialer Gedanke entwickeln.*

*Die Zitate stammen aus den Ebooks „Taktvoll aus dem Takt“, „Licht das durchs Dunkel bricht“, „In jedem Genie steckt auch ein kleiner Idiot“ erschienen bei Alojado Publishing

Aphorismen drücken Gefühle in bestimmten Situationen aus

Was ist das Besondere an einem Aphorismus? Aphorismen zu schreiben, ist ja doch eher eine Nische.

Nun ja, ob es eine Nische ist, weiß ich nicht so recht. Es gibt viele Aphoristiker und unter ihnen viele teils gute, teils weniger gute Sprücheklopfer. Man sollte, wenn man tiefer eindringt, halt unterscheiden, ob es sich mehr um ein Zitat, einen Spruch, ein geflügeltes Wort, eine allgemeine Redewendung oder einen echten Aphorismus handelt. Letzteres ist oft nicht ganz klar zu unterscheiden. Ein echter Aphorismus formuliert eine besondere Einsicht, die rhetorisch oftmals auch als Sinnspruch kunstreich sprachlich dargeboten wird. Geflügelte Worte und pointierte Zitate an sich gelten zumindest literaturwissenschaftlich nicht als Aphorismen. Dennoch würde ich aus der Praxis sagen, dass dies eine fließende Grenze je nach Interpretation ist.

Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Aphorismen?

Die schenkt mir das Leben an sich reichhaltig Tag für Tag. Es reizt mich geradezu, zu meinen stillen Beobachtungen dann auch meine Kommentare zu formulieren und sie manchmal auch auf meine persönliche gedankliche Spitze zu treiben. Und wenn mir dann solch ein Gedanke- subjektiv empfunden - gut gelungen ist, schreibe ich ihn nieder und sammle diese Sätze. Manchmal spreche ich ihn auch direkt aus. Je nach Situation. Viele meiner Beobachtungen speisen sich für mich aus einer gewissen Absurdität des Alltagslebens, das sich als so genannte Normalität zeigt, ohne dass das innewohnende Absurde oder Skurrile überhaupt erkannt wird. Das ist natürlich meine persönliche Sicht der Dinge. Auch die vielen komplizierten psychologischen Interaktionen zwischen den Menschen an sich sind so ein weites Feld, auf dem Sprüche und Aphorismen satten Nährboden finden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sich Menschen wenig reflektiert verhalten, sich zugleich aber sicher gebärden und nicht einmal bemerken, dass ihnen der Überblick über die Situation fehlt oder bereits entglitten ist. Hier offenbart sich mehr, als die meisten Menschen auch nur ahnen. Es braucht halt oft das konzentrierte Horchen auf dasjenige, das sich auch zwischen den Zeilen und hinter den Worten ausspricht. Vielleicht ist es eine besondere Art des Erlauschens der Mitwelt, die in meinem Fall so viele Sprüche und Aphorismen geradezu herausfordert. Ich lasse das offen, halte es aber für möglich.

Wie schreibt man einen Aphorismus?

Ich kann nur von mir selbst sprechen, weil ich die geistige Technik anderer Menschen nicht kenne. Bei mir ist es zunächst ein starkes Gefühl. Das wurde dann entweder durch eine Aktion, eine Beobachtung oder auch einen Impuls ausgelöst. Hat dieses Gefühl eine gewisse Stärke erreicht, geht es in einen konkreten Gedanken über. Ich denke über mein Gefühl nach. Was habe ich gerade erlebt? Von was wurde ich Zeuge? Dann spricht etwas in mir diesen Gedanken aus, den ich, wenn er mir selbst gut gefällt, niederschreibe. Oft bleibt dann diese Erkenntnis, die sich zunächst als Gefühl zeigte, genauso stehen. Manchmal aber gibt es auch eine nachträgliche sprachliche Veränderung, die ich für notwendig erachte. Das, was hier aufgezählt ist, kann sich blitzschnell vollziehen. Manchmal sind es nur Sekunden, manchmal braucht es jedoch auch ein paar Augenblicke. Manchmal sind es auch plötzliche Späterkenntnisse, die in der Stille in mir selbst unbemerkt über Jahrzehnte gewachsen sind. Diese sind auch für mich selbst dann hochinteressant und zeigen mir auch etwas von meiner eigenen Entwicklung auf.

Kreuzworträtsel schaffen innere Ruhe und Ausgleich zum Aphorismen schreiben

Mögen Sie auch Wortspiele wie Scrabble oder Kreuzworträtsel?

Ich liebe sowohl Kreuzworträtsel wie vor allem aber auch Sudokus. Beides beruhigt mich, wenn ich überarbeitet bin. In Zeiten starker Anspannung gehe ich damit sogar sehr gerne in die Nacht. Vor allem aber das Spielen und Tüfteln mit neutralen Zahlen, die mich gedanklich in eine völlig andere Welt ohne Gefühle und Wertungen versetzen, ist mir sehr wohltuend. Hier werden dann weder Phantasie noch Emotion gefordert, sondern können in sich selbst ruhen. Ich bin tatsächlich aus meinem eigenen Spieltrieb heraus ein Fan von Rätseln, weil es mir eine Form von innerer Ruhe und Ausgleich schafft, die ich jedem nur empfehlen kann. Allerdings ist die Zeit dafür leider auch begrenzt.

Ist bald ein neues Aphorismus-Buch geplant oder in welche Richtung wollen Sie 2016 gehen?

2016 wird es wohl einen vierten umfangreichen Band mit Sprüchen, Zitaten und Aphorismen von mir geben. Er wird, wie auch die drei ersten Bände, wieder bei Alojado Publishing erscheinen. Geplant sind auch noch weiter eine Best of-Ausgabe und eine Übersetzung ins Englische. Das ist jedoch nur ein kleiner Teil meines schriftstellerischen Wirkens. Vor allem schreibe ich gern auch psychologisch motivierte Romane. Mein dritter Roman erscheint im April als Taschenbuch unter dem Titel „Mea maxima culpa – Gottes Magd und Teufels Braut“ - ein dramatisch inszeniertes Frauenschicksal zwischen Rotlichtmilieu und Klosterleben, das mit tiefer Auseinandersetzung um Würde und Sex, Glaube und Zweifel, Sterblichkeit und Gott aufwartet. Zudem ist Ende 2015 eine umfangreiche Kinderbuch-Fortsetzungsserie angelaufen, die Impulse für eine werteorientierte Erziehung gibt und das gesunde Sozialverhalten wie auch das Selbstbewusstsein der Kinder stärken hilft: „Vom Stinkemichel und seinen Freunden“.

Frau Schyboll, wir sind gespannt auf Ihre weiteren Aphorismen zu Themen unserer Zeit und wünschen Ihnen noch weiterhin viel Zeit, die sie kreativ füllen können. Danke für den Einblick in Ihre Arbeit als Aphoristikerin und Autorin.

Wer noch mehr erfahren möchte, besuche gern Christa Schyboll im Netz.

Bildquellen

  • aphorismen schreiben christa schyboll: Christa Schyboll, privat
  • aphorismen schreiben bsp hippokrates: Bildrechte bei der 1337 UGC GmbH
  • aphorismen schreiben aphorismus christa schyboll: Bildrechte bei der 1337 UGC GmbH