Rätselautor Andreas Weber im Interview
Im Interview mit Andreas Weber
Andreas Weber ist Rätselautor und -erfinder, Programmierer und zweifacher deutscher Kreuzworträtselmeister. Er ist außerdem Inhaber der Rätselagentur Rätsel4U und betreibt seit über 25 Jahren die Website raetselfieber.de mit kostenlosen Online-Rätseln.
Was macht Kreuzworträtsel so besonders für Sie?
Die große Vielfalt der unterschiedlichen Rätselsorten. In Deutschland ist das Schwedenrätsel mit großem Abstand das beliebteste Rätsel und macht schätzungsweise die Hälfte aller abgedruckten Worträtsel aus. Aber es gibt ja außerdem viele Varianten, die ein Schwedenrätsel spannender machen können (geschüttelte Wörter, vorwärts – rückwärts, usw.). Das klassische Kreuzworträtsel, bei dem die Definitionen außerhalb des Rätselgitters stehen, bietet noch mehr Variationsmöglichkeiten, weil man die Reihenfolge der Definitionen vertauschen kann. Des Weiteren gibt es noch Silbenrätsel, Brückenrätsel, Rätsel zum Um-die-Ecke-Denken, Gitterrätsel, Französische Rätsel, Amerikanische Rätsel, Schweizer Rätsel, und und und ... dann kann man natürlich auch noch verschiedene Rätselsorten miteinander kombinieren. Wer sich beim Kreuzworträtseln langweilt, kauft die falschen Rätselhefte!
Haben Sie nun eigentlich das Hobby zum Beruf gemacht oder umgekehrt?
Ersteres stimmt. Als Kind habe ich ab einem gewissen Alter immer die Rätsel in der Fernsehzeitung lösen wollen. Meine Mutter musste sich dann ein extra Rätselheft kaufen, welches ich früher oder später ebenfalls okkupiert habe. Zum Beruf hat sich das aber erst nach und nach in einem längeren Prozess entwickelt, als ich im Rahmen meines Informatikstudiums ein Online-Kreuzworträtsel programmierte und dies im Internet relativ großen Zuspruch erfuhr. Das ist jetzt bald 25 Jahre her.
Trainieren Sie noch regelmäßig das Rätseln?
Trainieren ist nicht das richtige Wort. Immer wenn ich im Zeitschriftenladen ein Rätselheft mit einem neuen Titel entdecke, kaufe ich es mir. Bei gutem Wetter gönne ich mir täglich eine rätselhafte Kaffeepause auf meinem Balkon. Im Durchschnitt komme ich vielleicht auf zwei oder drei Rätselseiten pro Tag. Vor zehn, fünfzehn Jahren war es bestimmt noch das Vier- oder Fünffache. Auf längeren Zugfahrten schaffe ich auch heute noch ein halbes Heft, wenn mir danach ist. Das könnte man dann schon als hartes Training bezeichnen.
Wie groß ist ihr eigener Wortschatz mittlerweile? Lernen Sie durch Ihre Arbeit heute noch neue Wörter kennen?
Selbstverständlich lernt man immer wieder mal neue Wörter. Nicht täglich, aber schon recht häufig. Die Sprache ist ja auch ständig im Wandel. Der DUDEN beispielsweise präsentiert etwa einmal pro Woche ein neu aufgenommenes Wort, zuletzt die Begriffe "Erdüberlastungstag", "aufstrecken", "Plauderlaune" und "Othering".
Seit Ostern habe ich einen neuen Kunden aus Österreich. Daher habe ich in den letzten Monaten viele Austriazismen gelernt. Besonders schön fand ich das Wort "Reparaturseidel" als Ersatz für das deutsche "Konterbier" :)
Lösen Sie lieber Print-Rätsel oder Online-Rätsel?
Obwohl ich zurzeit fast ausschließlich Online-Rätsel produziere, rätsel ich selbst am liebsten mit einem Stift in der Hand. Da kann man zur Not auch mal drauf rumkauen, wenn einem eine Lösung partout nicht einfallen will. Den meisten Kreuzworträtsel-Apps mangelt es aber auch an inhaltlicher Qualität und dann ärgere ich mich nur.
Wie groß ist das Rätsel4U Team zurzeit?
Genauso groß wie vor und in zwanzig Jahren. Das Team bin ich allein. Ab und zu habe ich aber mal einzelne Rätsel an Bekannte verteilt um herauszufinden, ob sie womöglich zu schwierig geraten sind. Oder Teilnehmer der Deutschen Kreuzworträtselmeisterschaften um eine Kritik gebeten.
Wenn Rätselmacher:in ein Ausbildungsberuf wäre, was stünde im 1. Lehrjahr auf dem Plan?
Bei mir würden Lehrlinge sehr schnell lernen, dass der weitaus größte Teil der Arbeit eines jeden Rätselautors aus Datenbankpflege besteht. Und die kann zeitweilig sehr ermüdend sein! (Anmerkung d. Red.: dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen).
Eine Besonderheit der Meisterwerkstatt ist die von Ihnen eigens entwickelte Software zum Generieren von Kreuzworträtseln. Wo liegen die Grenzen der künstlichen Intelligenz, wenn es um Rätsel geht?
Das ist eine wirklich gute und spannende Frage! Ich weiß von einer Lösungssoftware für Kreuzworträtsel, die durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz schon sehr gut funktionieren soll. Soweit zur Lösungshilfe, nun zum Kreuzworträtselbau.
Beim Erstellen von Kreuzworträtseln können die meisten Probleme schon seit Längerem durch konventionelle Algorithmen gelöst werden, ohne dass dazu der Einsatz von KI notwendig wäre. Vor allem Konflikte semantischer Art werden aber (leider nur bei den besten Rätselagenturen) noch von Lektoren entdeckt und ggf. korrigiert. Zum Beispiel das Aufspüren von sinnverwandten Suchbegriffen im selben Rätsel. Oder das Vermeiden von uneindeutigen Lösungsbuchstaben in Nichtkreuzungsfeldern (Bsp.: Laubbaum - EICHE oder ESCHE? wenn der zweite Buchstabe in ein Kästchen gehört, das nicht gekreuzt wird). Das wären meiner Meinung nach sinnvolle Anwendungen für den Einsatz von KI, um die Qualität der Kreuzworträtsel zu erhöhen.
Wo die Grenzen der KI liegen, vermag ich nicht zu beurteilen. Man könnte sich ja denken, ich benutze eine KI und irgendeine Datenbasis und fertig ist die Laube. Aber ganz so einfach ist es dann wohl doch nicht. Wenn eine KI mit fehlerhaften Datensätzen trainiert wird oder anhand schlechter Kreuzworträtsel, kann vermutlich nichts Gescheites dabei rauskommen. Benutzt man wahllos digitale Medien als Ressource, werden zuhauf unerwünschte Begriffe vorkommen. Fremdwörter, Politik, Fachjargon, Gossensprache, Fake News usw.
Die große Frage ist also, ob mithilfe der KI generierte Kreuzworträtsel qualitativ besser werden oder einfach nur billiger. Momentan tendiere ich zu Letzterem, was aber sehr schade wäre!
Im Jahr 2013, zum 100. Geburtstag des Kreuzworträtsels, haben Sie sich ein echtes Unikat, den Kreuzwortwürfel einfallen lassen. Wie viele Versuche waren nötig, bevor der erste Würfel "rund" wurde?
Das werden schon einige Versuche gewesen sein. Meiner Erinnerung nach habe ich damals drei oder vier Wochen lang am Kreuzwortwürfel getüftelt, bis ich schließlich mit dem Ergebnis zufrieden war.
Was haben Sie zum 110. Geburtstag in der Schmiede?
War mir noch gar nicht aufgefallen, dass bald schon wieder zehn Jahre herum sind. Ich hätte ein fertig konzipiertes Rätselmagazin in der Schublade, welches rund einhundert unterschiedliche Rätselvarianten enthält. Darunter etwa zehn, die es in keinem anderen Rätselheft gibt. Einhundert plus zehn … passt doch ;)
Jüngst ist Ihr dritter Rätselband KRYPTSEL mit kryptischen Kreuzworträtseln erschienen. Wie gehen Sie an die Erstellung eines solchen Um-die-Ecke-gedacht-Rätsels heran?
Der wesentliche Unterschied zu "normalen" Kreuzworträtseln besteht darin, dass bei kryptischen Rätseln jeder Datensatz nur ein einziges Mal verwendet wird und danach für die Buchreihe gesperrt wird. Und das Lektorat dauert sehr viel länger, weil einem Monate nach der Herstellung der Kryptsel beim Selberrätseln jedes Mal eine Handvoll Definitionen auffallen, bei denen man noch etwas verbessern kann. Oft muss man auch einen ganzen Teilbereich des Kryptsels völlig neu gestalten, weil es sonst zu schwierig oder aber auch zu leicht zu lösen wäre. Der Zeitaufwand ist also ungleich höher und beträgt mindestens das Zehnfache.
Lieber Herr Weber, vielen Dank für dieses Interview!
Bildquellen
Titelbild - Andreas Weber (Bildrechte)